:: Presse ::

Letztes Update: Mai 3, 2002 13:29
  Kampf gegen verkrusteten Politikerwillen
Beate Schmidt-Kempe ruft zwei Petitionsausschüsse an / Letzte Chance für zwei türkische Familien

Villingen-Schwenningen. Das, was den erwachsenen Flüchtlingen widerfahre, sei schon schlimm genug, aber vor allem das Schicksal der Kinder, die keine Lobby haben, hat es Beate Schmidt-Kempe angetan.

Nach viel negativer Erfahrung mit Kirchenasylverfahren kämpft sie jetzt in letzter Instanz um das Bleiberecht für zwei kurdische Familien aus Villingen-Schwenningen, die derzeit im Kirchenasyl leben. Heute wird im Landtag über eine Petition des evangelischen Dekanats Villingen entschieden, die die sogenannte Altfallregelung und deren restriktive Auslegung betrifft. Außerdem hat sie den Petitionsausschuss des Bundestages angerufen wegen Rücknahme der deutschen Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention. Die neue SPD-Bundestagskandidatin Schmidt-Kempe weiß, dass dies die letzte Chance für die beiden Familien ist. Durch alle Instanzen hat sie für das Bleiberecht der Menschen aus Kurdistan gekämpft. Vor allem die Briefe zweier betroffener zehn- und elfjähriger Kinder gehen nicht nur Beate Schmidt-Kempe unter die Haut. Da heißt es zum Beispiel: 1996 habe ich mit der Schule angefangen. Ich wohne in Villingen und spiele in einem Fußballverein in Villingen. Hoffentlich schieben sie uns nicht ab, schreibt das andere Kind.

Die Petition, die heute im Landtag behandelt wird, geht um die "Altfallregelung", die besagt, dass diejenigen, die vor Juli 1993 in die Bundesrepublik eingereist sind und bislang nur eine Duldung haben, dann eine Aufenthaltsbefugnis bekommen, wenn sie bis zum Stichtag 19. November 1999 erwerbstätig waren und so ihr Lebensunterhalt gesichert sei. Da diese Anforderungen in vielen Fällen nicht hätten umgesetzt werden können, weil viele Betroffene gar nicht hätten arbeiten dürfen, so Schmidt-Kempe, sei die Regelung ein "Etikettenschwindel". Das Bundesministerium des Innern habe den Ländern Handlungsspielräume eingeräumt, den Baden-Württemberg und wenige andere Bundesländer, darunter Bayern, sehr restriktiv auslegen. Die Zahl der erteilten Aufenthaltsbefugnisse von Baden-Württemberg (700) im Vergleich etwa zu (20000) oder Rheinland-Pfalz (1125) spreche eine deutliche Sprache.

Eine solche Politik könne sie nicht für gut heißen, meinte Schmidt-Kempe im Bezug auf die Reaktion von Innenminister Thomas Schäuble. Er hat auf einen FDP-Antrag im September vergangenen Jahres im Landtag in diesem Fall einer Bundesangelegenheit. Für die streitbare Anwältin ein unglaublicher Vorgang: "Es ist schlimm, dass Herr Schäuble die Unwahrheit sagt". Denn laut Grundsgesetz ist die Ausführung der Bundesgesetze Ländersache.

Breite Unterstützung nicht nur aus Kirchenkreisen erhält Schmidt-Kempe. Schreiben von Hans-Jochen Vogel, Walter Jens und dem ehemaligen Bischof Karl Ludwig Kohlwage aus Lübeck zeugen davon.

Den Petitionsausschuss des Bundestages hat die Juristin angerufen wegen der Rücknahme der deutschen Vorbehalte zur UN-Kinderrechtskonvention. Auch hier hätten die von ihr geführten Kirchenasylverfahren den Ausschlag gegeben, etwas zu tun. Immer wieder habe sie das Leid der Kinder gespürt, deren Bleiberecht von dem der Eltern abhängig sei. Die Auslegung des Gesetzes würde es zwar grundsätzlich erlauben, die Interessen der Kinder und die zwischenzeitlich erfolgte Integration der Eltern zu berücksichtigen, doch werde diese Bestimmung gerade in Baden-Württemberg derart restriktiv ausgelegt, dass Kinder zum Teil sogar ohne ihre Eltern oder ohne einen Elternteil abgeschoben werden.

Möglich ist dies durch den "Erklärungsvorbehalt", den die Bundesregierung 1992 als einziges Land verabschiedete. Dieser besagt, dass die UN-Kinderkonvention nicht für illegal nach Deutschland eingereiste Kinder gelte. Obwohl der Bundestag bereits zwei Mal beschlossen habe, den Vorbehalt außer Kraft zu setzen, scheiterte dies an der Haltung der Länder Baden-Württemberg, Bayern und Thüringen. Dies alles ist für die Anwältin nicht zu fassen: "Das ist der Wille von einigen geistig verkrusteten Politikern - insgesamt eben Unrecht". (Südwestpresse 26.02.2002)

 
Zurück