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Letztes Update: September 12, 2002 22:44
  Diskussion über Opferschutz mit Herta Däubler-Gmelin
Mit der Entscheidung hapert es Bundesjustizministerin: "Strafe muss sein" / Kritik an Finanzierung
Wie breit gefächert das Thema Opferschutz ist, machte gestern ein Fachgespräch mit Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) in Schwenningen deutlich. "Strafe muss sein, und zwar eine geeignete Strafe", meinte sie. Schwenningen. Die Regierungskoalition habe sich intensiv mit dem Opferschutz befasst, sagte die SPD-Bundestagskandidatin Beate Schmidt-Kempe. Durch die verfahrensrechtliche Stärkung des Täter-Opfer-Ausgleichs würden Opfer von Straftaten aktiver als bisher in die Gestaltung des Strafverfahrens einbezogen und so ihre Möglichkeiten zur Wiedergutmachung des Schadens verstärkt. Traumatisierte Opfer, beispielsweise missbrauchte Kinder, müßten im Strafprozeß vor unnötigen Belastungen geschützt werden. Mehrfachvernehmungen seien für diese Opfer oft qualvoll. "Wir streben daher den verstärkten Einsatz von Bild- und Tonaufnahmen an", berichtete Schmidt-Kempe. Als positiv bewertete sie die sogenannte "Rote Karte" für gewalttätige Menschen. Der Strafprozeß solle mehr als bisher der Wiedergutmachung dienen. Geplant sei, mit 10 % der Geldstrafen gemeinnützige Einrichtungen zu unterstützen, deren Zweck die Hilfe für Opfer von Straftaten sei. Das scheitere bisher noch am Widerstand der Länder, weil denen das Geld dann im Haushalt fehle, erzählte Däubler-Gmelin. Es sei ein Vorurteil, dass Richter mehr für den Täter tun als dass sie sich um die Opfer kümmerten. Die Bundesjustizministerin verwies auf die vielen Urteile, von denen nur verhältnismäßig wenige Schlagzeilen in der Boulevardpresse machten. "In den blutrünstigen Darstellungen dort wird auch zu wenig erwähnt, was das Opfer erleiden mußte", schilderte sie ihre Wahrnehmung. Opfer einer Straftat bräuchten Hilfe und Ermutigung. Aber wenn man über Opferschutz rede, müsse man auch Opferschutz meinen. "Ich bin nicht bereit, etwas vom rechtsstaatlichen Verfahren abzustreichen". Einig sei man sich darin, Opfer sexuellen Missbrauchs nicht noch zusätzlich zu belasten. "Aber wie geht man mit dem Strafverfahren um?", so die Bundesjustizministerin. Manchmal sei die Aufnahme mit einer Videokamera kontraproduktiv. "Das kann man nicht nach Schema F machen." Außerdem benötige man ausgebildete Beamte bei Polizei und Staatsanwaltschaft. Ein Modellprogramm laufe zur Zeit in Mecklenburg-Vorpommern. "Gewalt darf sich nicht lohnen",. meinte die SPD-Politikerin auch mit Blick auf die "Rote Karte". Untersuchungen hätten ergeben, dass es sich in 85 % der Fälle um prügelnde Männer und in 8 % um prügelnde Frauen handle. " Der Rest prügelt gleichgeschlechtlich". Bei der Diskussion kam schnell die Konfrontation mit der Praxis. Eine Schwenningerin trug den Fall ihrer Mutter vor, die mit 80 Jahren Opfer eines Raubüberfalls geworden sei. Als Folge dieser Straftat lebe sie heute in einem Altenpflegeheim. Jetzt hätten sie und ihr Bruder vom städtischen Sozialamt die Aufforderung bekommen, ihre finanziellen Verhältnisse offen zu legen, um für die Pflegekosten aufzukommen. "Ich bin nicht bereit, ein Verbrechen mitzufinanzieren", meinte die Frau. Richter Christian Bäumler erläuterte, dass der Täter inzwischen an einer Überdosis Drogen gestorben sei. Däubler-Gmelin sagte der Frau zu, sich im Anschluß an die Veranstaltung mit ihr über den Fall zu unterhalten. Ein Vertreter des Weißen Rings bemängelte, dass nur ein Bruchteil der 200.000 Menschen, die in der Bundesrepublik jährlich Opfer einer schweren Straftat werden, finanziell eine einigermaßen angemessene Entschädigung erhalten. Nicht einmal ein halbes Prozent bekomme eine Rente nach dem Opfer-Entschädigungsgesetz. "Das wird sich nicht durch Hilfskonstruktionen wie der Opfer-Stiftung verbessern." Däubler-Gmelin meinte, sie sei "wild entschlossen", das zivilrechtliche Vorgehen gegen Straftäter zu erleichtern. "Das ist jetzt ein bürokratisches Verfahren, das Schwere und Dauer der gesundheitlichen Beeinträchtigung der Opfer nicht genug berücksichtigt." (coh) Überschrift
(Südwestpresse 24.07.2002)
 
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