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Letztes Update: Juni 12, 2002 0:20
 


Plädoyer für geregelte Zuwanderung
Der SPD-Politiker Hans-Jochen Vogel sprach in der Furtwanger Festhalle / „Bereicherung der Kultur“ / Deutsches Volk schrumpft

Furtwangen: Besser hätte sich die SPD-Bundestagskandidatin Beate Schmidt-Kempe ihren Einstand in der Nachfolge Christa Lörchers kaum wünschen können. In der Festhalle konnte sie den früheren Oberbürgermeister von München und Justizminister im Kabinett Helmut Schmidts, Hans-Jochen Vogel, begrüßen. Und Bürgermeisterstellvertreter Klaus Hog hatte neben einem Geschenk der Stadt das Goldene Buch mitgebracht, in das sich der Gast eintrug.

Hans-Jochen Vogel (76) ist ein glänzender Redner, den es nicht auf seinem Podiumsplatz hält. Selbstironisch greift er seinen Spitznamen „Oberlehrer“ auf und hält ohne Manuskript und Mikrofon vor der vollbesetzten Festhalle einen mit Fakten gespickten Vortrag. Solidarität sei der Anlass gewesen für seine Mitarbeit in der Zuwanderungskommission von Rita Süßmuth. Zuwanderung sein nichts vollkommen Neues. Ein Blick in die Geschichte zeige, dass es immer wieder - meist unfreiwillige - Wanderungsbewegungen gegeben habe. Im 16. Jahrhundert die Hugenotten, die in Frankreich verfolgt wurden und von denen sich viele in Brandenburg niederließen. Später kam die Polen ins Ruhrgebiet. Und er erinnere sich noch deutlich, wie zur Zeit des Wirtschaftswunders der millionste Gastarbeiter aus Italien am Frankfurter Bahnhof von Wirtschaftsminister Ludwig Erhard mit einem Motorroller beschenkt worden sei.

Max Frisch aber habe damals schon geschrieben, „wir haben Produktionsfaktoren erwarteten und Menschen sind gekommen“. Sie haben, so Vogel, immer auch die Kultur bereichert. Und statistisch sei die höhere Ausländerkriminalität nicht zu belegen. Altbundespräsident von Weizäcker habe schon davor gewarnt, das Problem zu instrumentalisieren. Es sei falsch, dass die Ausländer auf unsere Kosten lebten - ihr Beitrag zu Steuern und Sozialabgaben sei höher als im Gegenzug ausgegeben werde.

Überhaupt habe man die Integrationsleistung bisher nicht als stattliche Aufgabe gesehen, sondern sie den Kirchen und Wohlfahrtsorganisationen überlassen und genau das will die Regierung Schröder ändern. Es gehe nicht darum, alle, die anklopfen, aufzunehmen, sondern - unabhängig von der Asylgewährung - die Zuwanderung zu steuern, so Vogel weiter. Wo üblicherweise ausländische Mitbürger große Hürden bis zur Einbürgerung überwinden müssten, sei das zum Beispiel bei Sportlern überhaupt kein Problem. eine sichere wirtschaftliche Existenz sei ein wichtiger Baustein für die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen leben. Aber natürlich müssten sich die Bewerber an die Rechtsordnung halten.

Aber die Paragraphen sind für die Menschen da und nicht umgekehrt. Tatsache sei, dass die Deutschen als Volk schrumpfen. Hier verwies auch die noch amtierende Bundestagsabgeordnete Christa Lörcher auf die Ergebnisse der Arbeit der Kommission demografischer Wandel, in der sie mitgearbeitet hat.

Beate Schmidt-Kempe, die sich als Rechtsanwältin mit all diesen Dingen beschäftigt, beleuchtete aus ihrem Berufsalltag, wie mühsam der Kampf mit den Behörden oft sei, und wurde dabei von Pfarrer Albert Schönleber unterstützt.

(Badische Zeitung, 08.06.2002)
 
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