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Letztes Update: Februar 16, 2004 16:25
  Leidenschaft für den Wind entfacht

Der Bundestagsabgeordnete Hermann Scheer (SPD) steht als "grimmiger Prophet" für alternative Energien ein Schaffen regenerative Energiequellen wie Photovoltaik, Windkraft und Biogas Arbeitsplätze? Der SPD-Kreisverband bot MdB Hermann Scheer im Beethovenhaus ein Forum für seine Thesen. Und erntete vor rund 50 Zuhörern eine Menge Zündstoff von provozierenden Aussagen über die Windenergie bis hin zum leidenschaftlichen Plädoyer für kleinere Wasserkraftanlagen, von denen einigen an der Breg demnächst das "Aus" drohen könnte.

VS-Schwenningen - Scheer hat eine Vielzahl von Titeln: Er ist "Träger des Weltsolarpreises 1998", des alternativen Nobelpreises (1999) und Präsident des "Weltrates für Erneuerbare Energien (2001). Das "Time"-Magazin erkor ihn 2002 zum "Hero for the Green Century", zum Helden des Öko-Zeitalters. Zur Zeit liegt er wegen der Novelle des Gesetzes zur Förderung der Erneuerbaren Energien (EEG) mit Umweltminister Jürgen Trittin im Clinch. Scheer, den der Schriftsteller Carl Amery als "grimmigen Propheten" bezeichnet, bearbeitet das Podium wie ein Turner die Reckstange, und seine Argumente sind einleuchtend. Abgesehen davon, dass der erste Dieselmotor mit Pflanzenöl und Henry Fords erster Automotor nicht mit Benzin, sondern mit Bio-Alkohol angetrieben worden sei, sagt Scheer, könne wohl niemand bestreiten, dass die fossilen Brennstoffvorräte in absehbarer Zukunft erschöpft sein werden. Nachdem die Landwirtschaft, der so genannte "Primärsektor", an Bedeutung verloren, die Industrie Millionen von Arbeitsplätzen verloren und auch der Dienstleistungssektor mit der jüngsten Entlassungswelle bei den Banken eingebüßt habe, sei es an der Zeit, eine neue Ära einzuleiten. Eine Dekade, in der einzig eine auf erneuerbare Energien aufgebaute Weltwirtschaft noch Chancen habe und die dem Landwirt als Energieproduzenten zu neuer Geltung verhelfe. Dabei sei die herkömmliche Energiewirtschaft entschieden im Wege. "Der Mensch will auf den Mars, um dort mit Sonnensegeln Sauerstoff zu produzieren und den Nachbarplaneten bewohnbar zu machen - aber hier auf der Erde wird mit ein paar Cent pro Kilowattstunde argumentiert, dass Solarenergie zu teuer sei?", schwadroniert er. "Die Leute haben doch nicht alle Tassen im Schrank." Im Ringen um die Novellierung des EEG wirft er Trittin vor, plötzlich große Wasserkraftwerke zu bevorzugen, Kleinkraftwerken unter 500 Kilowatt Leistung aber den Hahn zudrehen zu wollen, wie ein Teilnehmer in Hinblick auf zwei Aggregate an der Breg ergänzte. Die erzeugten bislang jedes für sich weit mehr als eine Million Kilowattstunden, seien aber künftig nicht mehr förderungswürdig, weil sie in dem Gesetzentwurf nicht berücksichtigt würden. "Ich habe dem Verband der Kleinkraftwerksbetreiber geraten, vor das Verfassungsgericht zu ziehen, wenn das EEG sie benachteiligt", ermunterte ihn Scheer. Zumal aus dem EEG Zuschüsse für das geplante 450-Millionen-Wasserkraftwerk bei Rheinfelden fließen sollen, dessen Betreiber sich bis vor zwei Jahren mit Händen und Füßen gegen die Umverteilung wehrten und an Kleinkraftwerksbetreibern nur unter Vorbehalt den festgesetzten Richtpreis zahlten. Ministerpräsident Erwin Teufel, unterstellt Scheer, wolle möglichst schnell zehn Prozent Energieanteil aus regenerativen Quellen erreichen, um weiteren Windkraftstandorten vorzubeugen. "Sind Hochspannungsmasten denn schöner?", so Scheer. Wind- und Solarenergie stellten heute zusammen viermal so viele Arbeitsplätze wie die Atomindustrie. Die Kreisvorsitzende Beate Schmidt-Kempe schloss sich der Argumentationskette an: "Wir dürfen den Aufbruch nicht verschlafen." (von Klaus Koch)

(Südkurier vom 05.02.2004)
 
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